Eine Kür, das trifft es auf den Punkt genau. Denn so kann man das Internationale Auto-Bergrennen Esthofen – St. Agatha in Oberösterreich am 21. und 22. September mit Fug und Recht bezeichnen. Okay, am Trainingssamstag, der um 13:00 Uhr begann, sorgten einige längere Unterbrechungen für eine leichte Verzögerung in den beiden trockenen Läufen. Wobei die top motivierte Mannschaft des veranstaltenden MSC Rottenegg alle Probleme schnellstens in den Griff bekam, sieben auf einen Streich verschobene Betonleitelemente inklusive. Der Rennsonntag bot prickelnden Bergrennsport vom Feinsten im besonderen St. Agatha Format bei freundlichem Herbstwetter. Ein finaler Übungsdurchgang ab 09:00 Uhr, Rennstart pünktlichst um 12:30 Uhr, zwei alles entscheidende Heats á 3,2 flüssig-schnelle Kilometer, letzter Zieleinlauf gegen 16:15 Uhr, um 17:00 Uhr nach der Rückführung der Teilnehmer durch ein Meer begeisterter Zuschauer bereits der Beginn der „Flower-Ceremony“ für die schnellsten Tourenwagen- und Rennsportfahrzeugpiloten – Bergrennsportherz, was willst Du mehr?

Wissen vielleicht, wie sich die KW Berg-Cup Truppe in Österreich im Vergleich mit der wirklich sehr internationalen Konkurrenz geschlagen hat? Gerne, sofort hier im Anschluss, wie immer beginnend mit den Gruppe H 1150ern.

Von denen leider nur zwei den Trip nach St. Agatha gebucht hatten. Übrigens die gleiche Reisegruppe wie im Vorjahr. Bestehend aus Thomas Stelberg mit dem 16-Ventiler Schneider Polo im Gepäck und Jörg Eberle in Begleitung seines treuen Fiat 127 Sport. Damit die Auswerter und der Veranstalter wenig Mühe mit der Miniklasse haben, beschließen die beiden spontan, es bei dem der Papierform entsprechenden Vorjahresergebnis zu belassen – also Thomas Stelberg Sieger vor Jörg Eberle, 16V vor 8-Ventiler.       

In allen anderen Hubraumklassen werden die nach dem DMSB Gruppe H Reglement vorbereiteten Renner zusammen mit den E1 Fahrzeugen gewertet – eine echt interessante Konstellation. Dem gemäß geht die nächste Klasse bis 1400 Kubikzentimeter. Davon völlig unbeeindruckt geben die Berg-Cup 1,3 Liter in dieser den Ton an, 100 Kubikzentimeter hin oder her. Altmeister Franz Weißdorn stürmt hoch motiviert im VW Polo Honda 16V zur Trainingsbestzeit, vor Gerhard Moser (Polo 16V) und Wolfgang Glas im Minichberger Polo 16-Ventiler. Manfred Konrad fährt mit seinem VW Corrado 16V auf die vierte Übungs-Position, Christoph Bauer (VW Polo) ist als Klassensiebter schnellster 8-V’ler. Rennlauf eins sieht Franz Weißdorn (P1) an der Spitze vor Gerhard Moser (P2), dann folgt bereits Manfred Konrad (P3). Wolfi Glas kommt mit nur mehr drei arbeitenden „Töpfen“ ins Ziel, verliert rund 5 ½ Sekunden im Vergleich zu seiner Trainingszeit, rutscht auf Rang sieben zurück. Gierige Elektronik-Gremlins haben das Kabel zur Einspritzdüse des 4. Zylinders angeknabbert, unterwegs reißt der elektrische Kontakt vollends ab. Das neue Spitzentrio hat auch im zweiten, finalen Heat Bestand und klettert wie in Lauf eins gehabt auf das Siegerpodium. Wolfi Glas betreibt nach erfolgreicher Blitz-Reparatur Schadensbegrenzung, kommt noch bis auf Position vier nach vorne. Den KW 8V-Trophy Siegerpokal sichert sich Christoph Bauer auf Gesamt-Klassenrang sechs.

Thomas Strasser jun. heißt der Mann der Stunde bei den 1600ern, dominiert mit seinem 16-Ventiler Polo Training und Rennen, gewinnt schlussendlich mit 6,496 Sekunden Vorsprung souverän. Dahinter herrscht Abwechslung. Manfred Schulte glänzt in den Probegalopps, treibt sein Citroen AX Kit-Car auf Platz zwei. Dass er dabei einmal kurz vor dem Ziel bei Topspeed sein abnehmbares Lenkrad frei in der Hand hält, stört ihn nur minimal. Schnell wieder aufgesteckt, weitergefahren, passt!  Tobias Auchter im Zöllner Corsa 16V, Werner Heindrichs (Schneider Corsa 16V) und Helmut Maier im Spiess Golf 16-Ventiler belegen in der genannten Reihenfolge die Positionen fünf bis sieben. Das will dieses Trio so nicht hinnehmen. Spätestens in Rennlauf eins sind sie hellwach und von da an im verschärften Expresstempo im Angriffsmodus unterwegs. Das bringt Tobias Auchter bis auf Platz zwei nach vorne. Werner Heindrichs liegt als Dritter nur elf Hundertstelsekunden hinter Tobias zurück. Helmut Maier ist nun Sechster, Manfred Schulte findet sich als Siebter auf der Ergebnisliste wieder. Die Lambdasonde seines AX Kit-Cars spielt verrückt, liefert dem Steuergerät verkehrte Werte. Überfordert damit das Motormanagement und bringt es so durcheinander, dass es verschnupft mit Leistungsrücknahme reagiert. Auch Werner Heindrichs bleibt nicht von Unbill verschont. Gleich nach dem Start zu Heat zwei zerbröselt ein Antriebswellengelenk, der Corsa rollt hilflos aus. Tobias Auchter fährt Platz zwei sicher nach Hause, Dritter wird der Österreicher Christian Schneider im Peugeot 205 GTi. Helmut Maier rückt auf Platz fünf nach vorne, Manfred Schulte beendet seinen Austria-Trip als Sechster.

Über dem Wettbewerb der 2-Liter Boliden liegt immer etwas Besonderes, Prickelndes. In St. Agatha 2013 noch mehr als sonst. Denn es geht nicht nur um den traditionellen Ländervergleich Deutschland – Österreich und um die Ehre der Top-Plätze sowie des Klassengewinnes, sondern womöglich auch um die vorzeitige endgültige Entscheidung über den Gesamtsieg im legendären KW Berg-Cup Gruppe H. Der Vorteil liegt beim Team Dieter Rottenberger/Jörg Weidinger. Gelingt Jörg, der den BMW 320i STW hier pilotiert, eine Top-Fünf Platzierung, sind die Würfel endgültig zu ihren Gunsten gefallen. Das sollte für Jörg problemlos machbar sein, aber wir alle wissen, dass erst ganz zum Schluss zusammen gezählt wird. Und wir wissen auch, dass bereits ein defektes Cent-Teil ein Rennauto außer Betrieb setzen kann. Also abwarten bis zum Ende des Wettbewerbs. Und Tee trinken, je nach Geschmack vielleicht auch etwas anderes. Im Training wird an der Spitze herum geplänkelt, niemand lässt sich zu tief in die Karten schauen. Die 1:20er Schallmauer, die in den Vorjahren bereits mehrfach unterboten wurde, lassen alle tunlichst in Ruhe, fahren zwar dicht an sie heran, aber nicht darunter. Austria-Express Andreas Marko markiert im Audi A4 STW Quattro die Übungs-Bestzeit, vor Mario Minichberger im VW Scirocco 16V und Jörg Weidinger. Das Spitzentrio agiert souverän und abgeklärt, liegt innerhalb von 79 Tausendstelsekunden (!) zusammen. Ein Teil der Verfolger leistet sich kleine Fehler. Roman Sonderbauer streift in der ersten Probeauffahrt mit seinem Ziegler Kadett 16V die Streckenbegrenzung, beschädigt zwei Felgen. Am Sonntagmorgen dreht sich Björn Wiebe ausgangs der Steinmauer-Passage, streift sich die Heckschürze ab und drückt den Auspuff zusammen. Sein Fahrer-Ego bleibt unbeschädigt. „Das ist normal bei mir. Ich hab mich an dieser Stelle schon einmal mit dem Clio gedreht. Da der Laguna länger ist, hat halt der Platz nicht ganz gereicht und ich bin leicht angeschlagen. Aber es ist kein Problem entstanden.“ Bruder und Teampartner André ist in seinem Element, kaschiert mit blauem Tapeband den Heckschaden, biegt das Auspuffendrohr aus. Trotz allem ist Björn Trainingsvierter, vor Patrick Orth (P5) im BMW 320 iS, Hansi Eller (P6/Ford Escort) und Roman Sonderbauer (P7). Das Rennen muss das wahre Kräfteverhältnis aufdecken, muss die Entscheidung bringen. Brennende Frage: Was wird Jörg Weidinger tun, gibt es Team-Stallorder, hat er den „Auftrag“ den KW Berg-Cup Sieg auf alle Fälle sicher zu stellen? Also noch schnell in der Mittagspause nachgefragt. Jörg räkelt sich relaxt in der Herbstsonne, genießt deren Wärme. „Nein, taktisches Fahren interessiert mich am Berg überhaupt nicht. Höchstens auf der Langstrecke, wenn es um Boxenstopp- oder Reifenwechsel-Strategie geht.“ Das klingt nach vollem Angriffsmodus, auch wenn Jörg im Moment völlig entspannt wirkt, wie bei einem gemütlichen Vereins- oder Familienausflug in unser Nachbarland eben. Björn Wiebe muss als erster aus dem Kreis der Favoriten auf die High-Speed Piste, respektiert die 1:20er Schallmauer, treibt den Renault Williams Wiebe Laguna zu 1:20,796. Dann ist Jörg Weidinger dran, die Spannung ist mittlerweile zu spüren, ja förmlich zu greifen, scheint schier unerträglich. 2012 gelangen Jörg 1:18,896, kann er das wiederholen? Ja, er kann, und wie! Unglaubliche 1:17,967 stehen auf dem Lichtschranken-Display. Prickelndes Gänsehaut-Feeling greift um sich. Kein Klassenmitbewerber knackt die 1:20er Marke, Jörg führt mit satten 2,406 Sekunden vor Andi Marko (P2) und Mario Minichberger. Björn Wiebe ist Vierter, der Vorarlberger Christoph Lampert im VW Golf GTi 16V Fünfter. Auf den Positionen sechs bis zehn haben sich Roman Sonderbauer (P6), Patrick Orth (P7), Hansi Eller (P8), Marco Fink im BMW 320 WTCC (P9) und Norbert Wimmer im 8-Ventiler BMW 2002 eingenistet. Die Abstände hinter dem klaren Leader Jörg Weidinger sind gering, Platzverschiebungen jederzeit möglich. Zwischen Rang zwei und vier liegen lediglich 0,422 Sekunden. Jörg kann sich nun höchstens noch selbst bezwingen. Und der Österreich Urlaub der Defekthexe ist hoffentlich zu Ende, die Gefürchtete längst wieder zurück an der deutschen Märchenstraße. Ruhig bleiben, keine Aufregung mehr: Der Rottenberger BMW ist bestens vorbereitet, läuft perfekt, Jörg fährt makellos konzentriert schnell. 1:18,503 genügen, um seinen Vorsprung auf 3,505 Sekunden auszubauen. Das ist der überlegene Klassengewinn, das ist der KW Berg-Cup Gesamtsieg 2013, gepaart mit dem ersten Platz in der Division II. Wir gratulieren Dieter Rottenberger und Jörg Weidinger herzlich dazu! Hinter dem Sieger wird herzhaft weiter gerauft, die Verfolger geben noch einmal alles, Andreas Marko und Björn Wiebe sind jetzt ebenfalls unter 1:20 unterwegs, holen sich die noch freien Podestplätze. Andreas Marko als Zweiter, Björn Wiebe als Dritter. Auch Mario Minichberger zieht im Finale sein Tempo an, fährt mit 1:20,176 auf Rang vier. Patrick Orth zoomt sich auf Position fünf nach vorne, Christoph Lampert wird Sechster vor Hansi Eller (P7). Dann folgen Marco Fink (P8) und Roman Sonderbauer als Neunter. Auf Klassenplatz zehn gewinnt Norbert Wimmer die 2-Liter KW 8V-Trophy. Die Kadett C-Coupé Piloten Bernd Ehrle (8V-P2) und Walter Terler (8V-P3) steigen mit ihm auf das Sonderwertungs-Siegerpodest. Roland Christall treibt den Opel Ascona B auf 8V-Rang vier, Fünfter im Reigen der Fahrer mit 2-Ventil Motoren wird Marc Fischer in einem weiteren C-Coupé. Auch in Sachen KW 8V-Trophy darf vorzeitig gratuliert werden. Johann Hatezic und Roland Christall stehen als Titelträger fest. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!

Durch die gemeinsame Wertung von Gruppe H und E1 haben die KW Berg-Cup Fahrer in der Klasse über 2000 Kubikzentimeter einen schweren Stand, müssen gegen Überautos und Power-Monster anrennen. Den Klassensieg holt sich Herbert Pregartner in „Last-Minute“ Manier im letzten Sturmlauf, als der 870 PS starke Porsche 911 GT2 RSR nach Motor-Sensor Problemen und Ladedruck-Mangel erstmals an diesem Wochenende einigermaßen wunschgemäß funktioniert. Der Rallye-WM erfahrene Ungar Frigyes Turan muss final mit Platz zwei vorlieb nehmen, zeigt aber mit seinem Mitsubishi Lancer großartige Leistungen, kann sogar Felix Pailer (P3) im bärenstarken Lancia Delta Integrale hinter sich halten. Christian Auer erreicht unter den 19 Teilnehmern nach einem kleinen Trainingsausrutscher mit Streckenbegrenzungskontakt Rang neun. Im zweiten Wertungsheat trifft es den sympathischen Oberbayern ganz hart. Nach einem Ölpumpendefekt kollabiert sein Motor kurz vor der Ziellinie, der orange BMW M3 E30 rollt fast 25 km/h langsamer als im ersten Run durch die Lichtschranke. Auch Franz Eberle kann sich in diesem Klassefeld im BMW M3 E36 als Fünfzehnter sehr gut platzieren.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Erich Edlinger in seinem von einem 570 PS leistenden IRL V8-Aggregat angetriebenen BMW 320 der Gruppe E2-SH die schnellsten Zeiten der Autos mit Dach fährt. Der Tourenwagen-Streckenrekord des unvergessenen großen Georg Plasa von 1:12,696, zelebriert im Jahr 2007, bleibt einmal mehr völlig unangetastet. Mit seiner schnellsten Zeit von 1:15,324 liegt Erich Edlinger deutliche 2,628 Sekunden über Georgs Bestmarke.

Bevor wir zum KW Berg-Cup Kurz-Fazit nach St. Agatha und einer kleinen Vorschau auf Mickhausen kommen, gilt es noch einmal zu gratulieren. Diesmal allerdings kavaliersmäßig, mit Hofknicks, Handkuss und Blumenstrauß. Denn Bea Flik hat in ihrem Renault Megane Coupé die KW Berg-Cup Ravenol Youngster Wertung gewonnen. Herzlichen Glückwunsch Bea, sehr gut gemacht! 

Provozierende Frage: Lohnt der Besuch des Bergrennens Mickhausen, des zwölften und letzten Laufes zum KW Berg-Cup Gruppe H 2013 denn nun noch? Nachdem bereits der Gesamtsieger, der Gewinner der Division II, der KW 8V-Trophy Winner und der erfolgreichste Youngster gekürt sind? Klare Antwort: Das ist doch überhaupt keine Frage, Mickhausen ist ganz einfach absolute Pflicht! Pflicht für jeden Bergrenn-Liebhaber, für jeden KW Berg-Cup Fan und für alle Motorsport Enthusiasten. Denn noch immer wird in der 26. KW Berg-Cup Saison in den Wertungen, in denen die Sieger schon feststehen, nach den restlichen Podestbesetzungen gesucht. In der Division I und in der Rookie-Wertung darüber hinaus noch nach den Gewinnern. Und genau deshalb ist Mickhausen 2013 für uns alle Pflicht, aus der die Aktiven ganz sicher wieder eine faszinierende Kür zaubern. So wie in all den Jahren zuvor.

Zählt ihr denn auch schon so ungeduldig wie ich die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Mickhausen Start? Ja? Dann ist es gut, dann seid ihr echte Vollblut-Bergrennfans. Lasst uns gemeinsam zu unserem Mekka Mickhausen pilgern. Dort sehen und hören wir uns. Ich freue mich schon echt darauf!





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